Deutsche Telekom Medien GmbH gegen
European Business GmbH (“Berliner Branchenbuch”)
Urteil vom 2. Juli 2004
Landgericht Frankfurt am Main
Geschäfts-Nr: 3-11 O 1/04
Lt. Protokoll
verkündet am 02.07.2004
LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
DeTeMedien Deutsche Telekom Medien GmbH, - Antragstellerin -
g e g e n
European Business GmbH, - Antragsgegnerin -
hat das Landgericht Frankfurt am Main — 11. Kammer für Handelssachen —
durch Richterin am Landgericht Götz-Tallner als Vorsitzende
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2004 für Recht erkannt
Der Beschluß - einstweilige Verfügung - vom 08.01.2004
wird bestätigt
Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Eilverfahrens
zu tragen.
T a t b e s t a n d:
Die Antragstellerin ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG. Sie gibt in Zusammenarbeit mit privaten Verlegern u.a. die Branchentelefonbücher
“Gelbe Selten" und “Gelbe Seiten Regional" unter Verwendung der offiziellen Daten der Deutschen Telekom AG. bundesweit heraus. Sie bietet entsprechende Verzeichnisse auch auf CD-Rom und im Internet an.
Die Antragsgegnerin gibt ein Adressen-Sammelwerk heraus, das sie im Internet unter der Domain “www.european-businessguide.com" anbietet. Der Nutzer gelangt über eine
Eingangsseite bei Anklicken des Button “Branchenbuch" auf eine weitere Seite. Bei Anklicken von “Branchenbuch Berlin” gelangt der Nutzer auf eine weitere Seite, auf der
er eine auf Berlin bezogene Suche durchführen kann. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 beigefügten Internetausdrucke Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin akquiriert Kunden für dieses Adressen-Sammelwerk mit einer Formularaussendung, wegen deren Inhalt und Gestaltung auf das als Anlage K 2 in
Fotokopie vorgelegte und nachfolgend wiedergegebene Beispiel Bezug genommen wird.
Screenshot des Angebotsformulars “Berliner Branchenbuch”
Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 02.01.2004 die Beschlußverfügung der Kammer vom 08.01.2004 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. die Bezeichnung .Berliner Branchenbuch" für ein Adressen-Sammelwerk zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2,
und/oder
2. ein als “Branchenbuch" bezeichnetes Adressen-Sammelwerk anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder
herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder herauszugeben und/oder herausgeben zu lassen und/oder in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen, wenn in
dem so bezeichneten Verzeichnis nicht alle oder nahezu alle Branchen und Betriebe der bezeichneten Region enthalten sind, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 1,
und/oder
3. für bezahlte Anzeigen in einem Adressen-Sammelwerk, insbesondere im Internet, mit einem Formular zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2.
Die Antragsgegnerin hat gegen diese Beschlußverfügung Widerspruch eingelegt. Die Antragstellerin führt aus. die Bezeichnung “Berliner Branchenbuch” stelle eine
Alleinstellungswerbung dar, da die Bezeichnung den Eindruck erwecke, daß es sich um “das" Berliner Branchenbuch handele. Dieser Eindruck sei jedoch unzutreffend. Ihre
Recherche (Anlage K 3) habe ergeben, daß für einzelne Branchen keine oder nahezu keine Einträge vorhanden seien. Damit komme dem Verzeichnis kein deutlicher Vorsprung gegenüber anderen Branchenverzeichnissen zu.
Auch die Verwendung der Bezeichnung “Branchenbuch" sei irreführend, da der VerKehr von einem als Branchenbuch bezeichneten Adressen-Sammelwerk ein vollständiges oder nahezu vollständiges Verzeichnis erwarte.
Ferner sei das von der Antragsgegnerin versendete Formular (Anlage K 2) grob wettbewerbswidrig, da es den Eindruck erwecke, es bestehe bereits ein Vertrag, für den nunmehr eine Rechnung übersandt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluß - einstweilige Verfügung — des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08.01.2004 Az.: 3-11 O 1/04, zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluß des Landgerichts Frankfurt am Main unter dem Az.: 3-11 O 1/04 vom 08.01.2004 aufzuheben und den Antrag, der Antragstellerin vom 02.01.2004 auf Erlaß
der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Bezeichnung “Berliner Branchenbuch" deute nicht auf eine Alleinstellungsposition hin, da es in Berlin zwischenzeitlich eine Fülle von Branchenbüchern, Verzeichnissen etc. gebe.
Auch die Bezeichnung “Branchenverzeichnis" sei nicht irreführend. Aufgrund der Vielzahl der heute im Internet verfügbaren Verzeichnisse gehe der Verkehr nicht mehr davon aus,
daß darin nahezu alle Gewerbetreibende Eingang gefunden hätten. Branchenbuch sei heutzutage nichts anderes als ein Sammelbegriff für Listen, Verzeichnisse und Führer
alter Art. Die Behauptung der Unvollständigkeit sei zudem unzutreffend, da sie neben den über die Formularaussendungen akquirierten Kunden noch über zugekaufte
Adressen verfüge. Sie habe allein für Deutschland rund 1,5 Mio. Adressen gespeichert.
Auch die Formularaussendung sei nicht wettbewerbswidrig, da diese nicht rechnungsähnlich aufgemacht sei. In dem Formular werde der Begriff Rechnung nicht
verwendet, es sei auch nicht wie eine Rechnung gestaltet. Es handele sich deutlich erkennbar um das Angebot auf Abschluß eines mit. einer ausreichenden Preisangabe versehenen Vertrages.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die, gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n de :
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin war die Beschlußverfügung vom 08.01.2004 auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Bestätigung.
Der Antragstellerin steht der unter Ziffer 1. der Beschlußverfügung vorn 08.01.2004 Zuerkannte Unterlassungsansprüche zu, da die in der Anlage K 2 verwendete
Bezeichnung “Berliner Branchenbuch" irreführend im Sinne von § 3 Satz 1 UWG ist.
Die Antragstellerin hat zutreffend ausgeführt, daß es sich bei der in Anlage K 2 verwendeten Bezeichnung “Berliner Branchenbuch" um eine Alleinstellungswerbung
handelt. Eine Alleinstellung liegt dann vor, wenn die Werbung von einem nicht unerheblichen Teil des Publikums dahin verstanden wird, daß der Werbende allgemein
oder in bestimmter Hinsicht für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt. Entscheidend ist dabei die Wirkung, die eine bestimmte Werbeaussage nach
ihrem Sinngehalt auf die angesprochenen Verkehrskreise ausübt. Deshalb hängt es weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab, ob eine Werbung vom Standpunkt
des unbefangenen Lesers aus als Alleinstellung aufzufassen ist.
Im vorliegenden Fall wird die in der Anlage K 2 verwendete Bezeichnung “Berliner Branchenbuch" von den angesprochenen Verkehrskreisen - wie die Kammer aufgrund
ihrer Spezialzuständigkeit für Wettbewerbsverfahren aus eigener Sachkunde entscheiden kann - dahingehend verstanden, als handele es sich bei dem beworbenen Branchenbuch
um “das" Berliner Branchenbuch, das etwa hinsichtlich Vollständigkeit und Aktualität etwas, deutlich besseres bietet als die Konkurrenz. Aus der gesamten Aufmachung des
Formulars und insbesondere durch die farbliche Unterlegung der Bezeichnung Berliner Branchenbuch wird dessen Stellung als Branchenführer deutlich herausgestellt, ohne
irgendeinen Hinweis darauf, daß es sich - wie die Antragsgegnerin ausführt - lediglich um eines der vielen für Berlin existierenden Verzeichnisse handelt.
Diese in Anspruch genommene Spitzenstellung kommt dem von der Antragsgegnerin herausgegebenen Adressen-Sammelwerk nach ihrem eigenen Vortrag nicht zu. Die
Antragsgegnerin nimmt für das Adressen-Sammelwerk selbst nicht in Anspruch, daß es eine Spitzenstellung auf dem Markt der Branchenführer einnimmt. Damit ist die verwendete Bezeichnung jedoch irreführend.
Die Antragstellerin hat ferner einen Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung “Branchenbuch” für das von der Antragsgegnerin unter der lnternet-Dornain
“www.european-businessguide.com'' (Anlage K 1) angebotene Adressen-Sammelwerk, da auch diese Bezeichnung irreführend ist (Ziffer 2 der Beschlußverfügung).
Wie die Antragstellerin - unter Hinweis auf eine Fülle dazu ergangener Rechtsprechung - zutreffend vorgetragen hat, verstehen die angesprochenen Verkehrskreise unter der
Bezeichnung “Branchenbuch" ein vollständiges oder nahezu vollständiges Verzeichnis aller Branchen und Betriebe der jeweils bezeichneten Region. Der seit Jahrzehnten
gebräuchliche Begriff “Branchenbuch" bezeichnet nach allgemeiner Anschauung ein (fast) vollständiges Verzeichnis aller Branchen und Betriebe. Daß sich diese
Verkehrsanschauung in den letzten Jahren aufgrund des zunehmenden Stellenwerts des Internet geändert habe, hat die Antragsgegnerin nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht.
Allein aus dem Umstand, daß es mittlerweile - insbesondere im Internet - eine Vielzahl derartiger Verzeichnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen gibt, rechtfertigt nicht die
Annahme, daß sich die Erwartungen der angesprochenen Verkehrskreise an ein Branchenverzeichnis geändert haben.
Die von der Antragsgegnerin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs
(Mitwohnzentrale.de) ist nicht einschlägig, da sich diese nur mit der Frage beschreibender Domain-Namen befaßt.
Da das von der Antragsgegnerin angebotene Adressen-Sammelwerk den von den angesprochenen Verkehrskreisen gestellten Anforderungen an ein Branchenbuch nicht
entspricht, ist die Bezeichnung irreführend. Nachdem die Antragsgegnerin den substantiierten Vortrag der Antragstellerin, daß das Adressen-Sammelwerk nur
unvollständig sei, in der Widerspruchsbegründung nicht ausreichend entkräftet hat, hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß es sich um ein unvollständiges Verzeichnis handelt.
Der Antragstellerin steht weiterhin ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Versendung des als Anlage K 2 vorgelegten Formulars zu, da dieses in
wettbewerbswidriger Weise (§ 1 UWG) vorspiegelt, es sei bereits ein Auftrag erteilt worden, während es sich lediglich um ein Angebot auf einen Vertragsabschluß handelt.
Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem vergleichbaren Verfahren in der Entscheidung vom 14.10.2003, Az.: I-20 U 98/03 (Anlage K 12), entschieden hat, zielt
auch das im vorliegenden Verfahren beanstandete Formular der Antragsgegnerin auf eine Gewinnung von Kunden durch Irreführung der Adressaten ab. Dieses Verhalten verstößt
nach § 1 UWG gegen die guten Sitten im Wettbewerb, selbst wenn darin keine irreführenden Angaben im Sinne des § 3 Satz 1 UWG zu sehen sind.
Durch das formularmäßige Anschreiben soll den Adressaten vorgespiegelt werden, daß sie der Antragsgegnerin bereits vor Erhalt des Schreibens einen Auftrag erteilt haben und
den Auftrag nicht erst - wie es tatsächlich der Fall ist - durch die Unterzeichnung des Schreibens und seine Rücksendung an die Antragsgegnerin erteilen sollen. Wie in dem
von dem Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Verfahren sollen die Adressaten zur Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens dadurch gebracht werden, daß
ihnen ein Korrekturfeld mit zu überprüfenden und auf Wunsch zu vervollständigenden geschäftlichen Angaben vorgelegt wird, welches das gesamte Formular beherrscht. Die
Aufforderung, die unter der hervorgehobenen Bezeichnung “Eintragungsantrag/Korrekturabzug" aufgeführten Daten zu überprüfen und ggf. zu
vervollständigen deutet auf einen bereits bestehenden Auftrag hin. Das unter der unzutreffenden Überschrift “Bitte beachten sie folgende Hinweise:" enthaltene Angebot,
mit der Unterschrift und dem Stempel überhaupt erst einen Auftrag zu erteilen, tritt gegenüber dem Korrekturfeld zurück. Der Umstand, daß die von der Antragsgegnerin
zu erbringende Leistung und der von dem Adressaten dafür zu entrichtende Preis in dem Fließtext völlig in den Hintergrund treten, verschleiert erheblich, daß es sich bei dem
Formular um Werbung für die Erteilung eines Auftrages handelt. Sämtliche von der Antragsgegnerin aufgeführten Hinweise darauf, daß es sich in Wahrheit um eine Angeot
handelt, treten aufgrund der konkreten Aufmachung des Formulars zurück.
Die Antragsgegnerin hat als unterlegene Partei auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 ZPO).
Götz-Tallner
Ausgefertigt am 22.07.2004
Betroffene Website: www.european-businessguide.com